➦ Ich vermute, dass du dich schon mit dem Thema „Derealisation/Depersonalisation“ auseinandergesetzt hast. Aber was genau ist eigentlich Derealisation/Depersonalisation?

Das werde ich versuchen, dir heute aus meiner Sicht zu erklären. Während „Depersonalisation“ das Phänomen erklärt, dass man sich selbst nicht mehr richtig wahrnimmt und sich aus seinem Körper losgelöst fühlt, ist bei der Derealisation genau das Gegenteil der Fall. Man fühlt sich als wäre die Umwelt unwirklich und als ob man keinen Bezug zu ihr hätte. Dennoch bleibt bei den Betroffenen stets der logische Verstand intakt und man sagt zu sich selbst: „Das kann doch gar nicht sein!“ Blicken wir einmal zurück und sehen uns ein bisschen etwas zur Entstehungsgeschichte dieser Störung an, die übrigens gar nicht so selten vorkommt. Jeder von uns oder zumindest beinahe jeder von uns hat schon zumindest einmal im Leben die Erfahrung gemacht irgendwie nicht ganz da zu sein, neben sich zu stehen oder zumindest nicht ganz bei der Sache zu sein. Menschen mit DP/DR klagen darüber, andauernd oder zumindest intervallweise über Stunden, Tage, Wochen oder Monate, im extremen Fall über Jahre hinweg, mit diesem Gefühl/Zustand zu hadern.

Man kann sich vorstellen, welch ein unsagbarer Leidensdruck auf den betroffenen Personen lastet. Eine eindeutige Ursache, die immer auf ein einmaliges Ereignis zurückführen ist, ist wie bei so vielen anderen psychischen Krankheiten nach heutigem Stand leider nicht festzumachen. Allerdings ist auffällig, dass in den Biografien der Betroffenen oft in der Kindheit emotionale Vernachlässigung stattgefunden hat. Das heißt, die Kinder wünschten sich viel mehr Zuneigung und Aufmerksamkeit, die sie oft nicht bekamen. Daraus resultiert ein angelerntes, negatives und unbewusstes Verhalten der Kinder, die Gefühle, die sich schlecht anfühlen, irgendwie zu unterdrücken oder zumindest nicht wahr haben zu wollen. Es ist sehr selten, dass diese Störung im Kindesalter auftritt, meisten geschieht dies im frühen Erwachsenenalter, wo für so viele die Weichen gestellt werden, wie Ausbildung, Heirat, Geburt des eigenen Kindes oder der Auszug aus dem Elternhaus, wo sich dann letztendlich die ersten Symptome einschleusen. Dies erzeugt nahezu immer die Reaktion zu denken, mein sei verrückt, schizophren oder psychotisch. Oft glauben Menschen jahrelang, der einzige Mensch auf dieser Welt mit dieser Störung zu sein. Was natürlich in keinster Weise stimmt! Im späteren Verlauf der Psychoedukation/Erklärung der Störung fällt den Betroffenen oft ein Stein vom Herzen, wenn sie erfahren, dass ca. 1 Prozent der Bevölkerung Deutschlands mindestens einmal darunter gelitten hat ihrem Leben. Dann stellt sich oft eine Resignation ein, die Akzeptanz, dass man nicht verrückt ist, rückt näher und die Niedergeschlagenheit nimmt zu.